Thomas Barnado Teil 10


Bei Fabers dringt ein köstlicher Geruch aus der Küche.

„Hmm, hoffentlich hast du genug gebacken, Sylvi“, sagt Benni. „Schwimmbad macht immer so hungrig!“

Schnell drücken sich die Jungen auf die Eckbank in der geräumigen Wohnküche. Sylvi hantiert geschickt mit den Backblechen, eins war natürlich nicht genug.

„Super, du hast an meine Salami-Ecke gedacht!“, freut sich Johannes und klatscht vor Begeisterung in die Hände.

„Na ja, sollte ich denn warten, bis du heißhungrig hier ankommst und deine Pizza selbst belegst? Das hättest du ja kaum überlebt, noch so lange auf dein Essen zu warten, oder?“

Johannes grinst ein bisschen verlegen. „Stimmt! Und du bist einfach ´ne super Pizzabäckerin, kann so bleiben!“

Das ist nicht übertrieben, alle loben die gute Köchin, die mit ihrem Rollstuhl zwischen Herd und Tisch hin und her gleitet. Pascal beobachtet das ziemlich erstaunt und merkt gar nicht, dass er das Mädchen unentwegt anstarrt. Sie hat es ganz selbstverständlich registriert und spricht ihn freundlich an: „Wunderst du dich über meinen Rollstuhl oder über meine Kochkünste?“

Pascal fühlt sich ertappt und druckst ein bisschen rum. „Ja, die Pizza ist wirklich spitze, das Beste, was ich mir denken kann. Nix gegen Tiefkühlpizza, aber deine ist schon eine extra Klasse. Ja, und mit dem Rollstuhl, ich hab das neulich nicht mitgekriegt. Hattest du einen Sportunfall?“

Sylvi lacht laut auf. „So könnte man sagen. Der ist aber sehr früh passiert. Genau genommen vor meiner Geburt!“

Pascals Gesicht sieht aus wie ein großes Fragezeichen, aber Sylvi hilft ihm schnell. „Nicht wirklich ein Unfall. Es ist nur so, dass bei meiner Geburt   nicht alles so in Ordnung war, wie es eigentlich bei einem Baby sein müsste. Meine Wirbelsäule hat sich im Mutterleib anders entwickelt, deshalb ist ab einem bestimmten Punkt bei mir alles gefühllos, sozusagen gelähmt, verstehst du? Die Ärzte nennen die Krankheit Spina bifida, das hab ich früher mal aufgeschnappt und deshalb überall von meiner Spinatkrankheit erzählt. Wenn’s dich interessiert, zeig ich dir’s auf einem Schaubild im Biobuch, o.k.?“
Pascal nickt stumm und lächelt sie dann an. „Find ich aber super, dass du trotzdem so viel machst, kochen und so. Warst du deshalb auch nicht mit zum Schwimmen?“

Die Unterhaltung dreht sich noch ein bisschen um Sylvis Handicap und darum, was sie trotzdem alles kann und macht. So bekommt Pascal noch viel Gelegenheit, sich zu wundern. Er ist beeindruckt. Hier sitzt ein Mädchen, das es nicht leicht hat und trotzdem alles andere als zickig ist.

Pascal erzählt nun von einem anderen gehbehinderten Mädchen aus dem Kinderdorf, das aber mit einer Prothese gut zurecht kommt. Sie ist ungeheuer aktiv, auch im Sport. Und alle finden es toll, dass sie für die Paralympics trainiert. „Kennst du sie vielleicht? Ich meine, weil sie auch …“

Ja, Sylvi kennt Annkatrin vom Sehen, denn sie besuchen die gleiche Schule. Das integrative Schulzentrum ist barrierefrei gebaut und damit die beste Lösung für Schüler mit Gehbehinderung. Nein, einen gemeinsamen Sportkurs haben sie nicht.

„Nee, da bin ich eher eine lahme Ente. Lesen, musizieren und kochen machen mir mehr Spaß. Natürlich müsste ich auch bewegungsmäßig was tun, mal sehen.“

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Danke an Erika Demant und den CSV-Verlag für die Genehmigung zur Veröffentlichung. 

Danke an Gunther Werner für die Bearbeitung.

Die Geschichte gibt es hier auch als Buch zu kaufen

Bild: (c) Can Stock Photo / colematt